Feedback als Geschenk sehen
Wer kennt es nicht aus seiner Kindheit, einerseits „getadelt“ zu werden, wenn etwas nicht gut gelaufen ist andererseits Lob zu erhalten, was sich irgendwie nicht richtig anfühlte.
Das Problem, das sich für viele aus dieser „Erziehungskultur“ heraus entwickelte war, dass Feedback (durchaus auch gut gemeintes) persönlich genommen wurde und wir uns, als Betroffene, beleidigt, beschämt oder angegriffen fühlten.
Ein Kommunikationsgrundsatz lautet: Nichts persönlich zu nehmen.
Hört sich für sehr viele sehr gewöhnungsbedürftig an. Wie wir oben sehen können, spielen Prägungen, gerade in der Kindheit, eine große Rolle, die es nicht so leicht erlauben, inneren Abstand zu gewinnen.
Effekte, die sich aus derartigen Prägungen ergeben, häufig zusammen mit dem Anspruch „es richtig machen zu wollen“ sind z.B. das Impostor-Syndrom, bei dem Betroffene das Gefühl haben, alsbald als Hochstapler überführt zu werden. Dabei empfinden sie die Funktion, die sie ausüben, mit den Augen der anderen gesehen, als eine Nummer zu groß und befürchten, unweigerlich enttarnt zu werden.
Der Anspruch „es richtig machen zu wollen“ kann auch ohne Impostor-Symptome zur körperlichen und seelischen Erschöpfung führen. Dieser Hang zum Perfektionismus lässt Betroffene unaufhörlich im Gefühl, Unzulängliches in die Welt gebracht zu haben.
Ein drittes Phänomen in diesem Zusammenhang ist, Verantwortung für andere zu übernehmen. Ist das Selbstwert gestört, streben Betroffene unbewusst nach Kompensation, schließlich kann nicht sein, was nicht sein darf. So hören sie, was Mitmenschen ihnen zu sagen haben, vor allem deren Probleme und liefern prompt eine aus ihrer Sicht passende Lösung. Gerne kümmern sie sich dann auch um solche Mitmenschen, „machen sich Sorgen“ um sie, kümmern sich, indem sie „netzwerken“, Adressen von Ärzten organisieren oder direkt für sie das tun, wovon SIE glauben, dass es für sie richtig ist.
Doch egal in welcher der vorgenannten Welten wir uns wiederfinden mögen, eine Änderung kann nur herbeigeführt werden, wenn wir uns von den in uns angelegten Prägungen distanzieren können. Entscheidend dafür ist der empfundene Leidensdruck. Spüren wir ein Unwohlsein, Schuldgefühle oder Angstgefühle sollten wir jedenfalls professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Wie wir ja aus den neueren Krankenkassenreporten entnehmen können, sind verstärkt psychische Symptome maßgebend für den Anstieg an Fehlzeiten in Unternehmen und Verwaltungen.
Bewusstseinspsychologisch gilt es im Grunde, eine „einfache“ Haltung bzw. Einstellung zu finden. Be – wusst zu sein, bedeutet gleichzeitig, im HIER und JETZT zu sein. Wenn wir uns herausnehmen aus jeglichem Geschehen als unmittelbar betroffene Akteure und aus einer Beobachterrolle heraus anschauen, was geschieht und über das Geschehene nicht werten und nicht urteilen, dann werden wir emotional deutlich entlastet. Wir sind nicht mehr persönlich involviert und brauchen demzufolge auch nichts persönlich nehmen.
Wie gesagt, es gilt eine neue „Einstellung“ zu finden. Denn es macht schon einen Unterschied, ob ich „Feedback“ von anderen, egal, in welcher Form auch immer als ein Geschenk ansehe, über das ich entscheiden kann, ob ich es annehme oder nicht oder eben Gefahr laufe, mich persönlich getroffen zu fühlen und durch sich entfachende Emotionen in Stress zu geraten.
Ich wünsche Ihnen nun viele „schwierige“ Situationen und „schwierige“ Zeitgenossen zum Erleben von stressfreien Feedbacks.