08.November 2016, Klaus Otto
Kennzeichen der heutigen Zeit
Postfaktische Zeiten. Dieser Begriff beschreibt den Umstand, dass es heutzutage nicht mehr so sehr darauf ankommt, zu kommunizieren, WAS IST, sondern das Feld von Information und Berichterstattung mit Willkür und Emotionen zu besetzen. Möglich wird das durch die zunehmende Gleichschaltung der Medien, ausgelöst durch entsprechende Machtkumulation. Akteure sind Medienkonzerne mit entsprechenden Machwerken, die von breiten Bevölkerungskreisen konsumiert werden, im Printbereich z.B., „Bild“ in Deutschland, aber auch der gesamte Bereich der „Yellow Press“. Dazu gehört der Telekommunikationsbereich von Funk, Fernsehen, Internet. Geboten wird das, wonach die Menschen nachfragen, gesteuert durch intensive Meinungs-/und Interessenmanipulationen von Google, Yahoo, Amazon und anderen einschlägigen Marktplayern. Das freie unabhängige Denken wird quasi abgeschafft, wenn die Meinungsbildung über diese Medien passiert.
Neben den Medienkonzernen, deren ausschließliches Werte-Mantra „Profit“ ist, gibt es zunehmend die Akteure staatlicherseits, die danach trachten ihre Bevölkerungen mit gezielten Informationen und Berichterstattungen von der objektiven Wahrheit fernzuhalten. Zurzeit sehr lebendig in der Türkei zu beobachten, wo sich rascher und rascher ein autokratisches System etabliert, in Russland sowieso, wo seit Beginn der Sowjetzeit die Bevölkerung mit geschönten Falschinformationen gelenkt werden und im Musterland der Pressefreiheit, den USA, wo Medienkonzerne und Staat eine unheilige Allianz eingegangen sind, Menschen durch Emotionen beeinflussen zu wollen. In den USA entwickelt sich zunehmend ein gesellschaftspolitisches Klima, das mittlerweile auch einen Namen hat: Trumpismus. Dabei kommt es gar nicht mehr darauf an, sich an irgendwelchen Fakten zu orientieren, sondern nur noch mit der Angst der Menschen „zu spielen“. Populistisch und laut werden irgendwelche „Statements“ abgegeben, die dazu beitragen, Menschen in ihrer Angst zu bestärken und im Geleit Emotionen wie Hass, Rache, Ekel und Wut zu schüren.
Wie ist das möglich? Menschen weltweit sind zunehmend verunsichert, ob ihr Planet „Erde“ der richtige ist, für eine Verwirklichung hin zu persönlicher Entfaltung und Glück. Menschen leben in Angst. Während vor den Zeiten von Internet sich räumlich begrenzte Felder von Unsicherheit und Angst auftaten, haben wir es heutzutage mit einer Globalisierung der Angst zu tun. Terroristische Anschläge, Kriegsgeschehen, persönliche Schicksale von Trauma und Verunsicherung befeuern das ohnehin grassierende Misstrauen in den Staat und seine Eliten. Das machen sich Populisten, u.a. Erdogan, Putin, Trump, am anderen Ende der Welt Duterte, auf den Philippinen, zunutze, als Heilsbringer sich darzustellen und dabei nur beabsichtigen, als von der Bevölkerung gerufene Diktatoren über kurz oder lang die Welt beherrschen zu wollen.
Dabei stellen diese Phänomene nur Brandbeschleuniger dar, die den Zerfall des alten Systems vorantreiben. Zentrale Ursache für die Angst der Menschen gründet in den Folgen der weltweit sozialen Ungerechtigkeit.
Die Schere geht ständig weiter auseinander: die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. Was die Menschen hilflos werden lässt, sind damit einhergehende Phänomene von Ungerechtigkeiten, Gier, Eigennutz, Selbstsucht, Korruption, Organisierte Kriminalität, Kriegstreibereien, Lügen, Fälschungen, Verschwörungstheorien. Aber auch all diese Phänomene sind von vorübergehender Natur. Sie können als der Eiter in einer Eiterbeule beschrieben werden. Wobei sich die Eiterbeule solange füllt, bis sie platzt.
Vorangetrieben wird das Platzen der Eiterbeule durch das weltweite desolate Bankensystem. Der Eiter fließt an manchen Stellen bereits heraus. Wobei sich Zentralbanken seit geraumer Zeit zu Totengräbern balancierter Geld-/Währungssysteme entpuppen, mit jeglichem Verlust an Augenmaß, Struktur und Ausgleich. Es ergibt sich ein Bild entsprechend dem Goethegedicht „Der Zauberlehrling“. In dem Gedicht kommt letztlich der Meister und richtet wieder alles, was im Falle der weltweiten Geld-/und Währungspolitik nicht mehr möglich sein wird, weil sich die Meister in Lehrlinge verwandelt haben und nicht aufhören, den Markt mit Geld zu schwemmen.
Hinzu kommt, dass die Staatsschulden weltweit steigen und steigen. Allein die USA verzeichnen ein Staatsdefizit von 20 Billionen Dollar, doppelt so hoch, wie seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007.
Mit dem Aufgeben des kleinen Einmaleins des Ausgleichs haben sich mittlerweile weltweit die Geldvermögen gegenüber dem Realvermögen verdreifacht. Diese gewaltige Disbalance füllt die Eiterblase mit zusätzlichem Gift, nämlich dem der Inflation. Bei all den scheußlichen Inhalten der Eiterblase kann es nur eine Heilung geben, wenn sie denn endlich platzt.
Doch was kommt danach? Wenn die Angst heutzutage die Menschen beherrscht, dann wird es nur eine Politik sein wider die Angst, und zwar im Einklang mit der Seele. Was heißt das?
Chancen für die Zukunft
Was macht den zentralen Unterschied des alten zum neuen Zeitalter aus? Herrschte im alten Zeitalter die Angst vor, so wird im neuen Zeitalter die Liebe gelebt. Um diese Dimension verstehen zu können, bedarf es des Erwachens. Der alte Geist wird denken und verneinen. Das aus dem naheliegenden aber angstvollen „Was nicht sein kann, das nicht sein darf!“ „Liebe leben“ bedeutet für den Ego-Geist, mit der Leiter auf den Mond steigen. Da ist so eine Ahnung, was es bedeuten mag, doch der Schmerz, an das Gefühl nicht herankommen zu können, lässt uns verleugnen, abwehren, aggressiv werden, eben aus dem Grund „Was nicht sein kann, das nicht sein darf!“ Das neue Zeitalter verlangt nicht mehr, es lässt sein. Im neuen Zeitalter geht es nicht mehr darum, etwas erreichen zu müssen, sondern im Gegenteil: loszulassen.
Bewusstheit ist nichts anderes, als sich in seinem gesamten Sein wahrzunehmen und anzunehmen. Das neue Bewusstsein braucht keine Wertungen, lässt Raum für das Anderssein, gibt den Blick frei Anhaftungen in uns. Das gelingt uns im Raum der Stille. Solange wir im Kopf sind und denken, grübeln, sinnen, uns das Hirn zermartern, verzweifelt nach einer Lösung suchen, wird es uns nicht gelingen. Bewusstheit entsteht durch Achtsamkeit, wobei die Bewusstheit den Raum darstellt und die Achtsamkeit die Besinnung auf das Hier und Jetzt. Was bedeutet das genau?
Anstatt in mein tägliches Sein, den Abläufen, in mein Funktionieren eingebunden zu sein, gilt es stattdessen, darauf zu schauen. Denn sind wir eingebunden in allem, was uns ausmacht, müssen wir werten, urteilen, uns abgrenzen, uns wehren, schließlich glauben wir für den Erhalt unserer Selbstachtung kämpfen zu müssen. Diese Vorgänge, so nahe sie für uns sind und damit so selbstverständlich, sind im Grunde so anstrengend und erschöpfend und je nachdem wie groß das Maß unserer persönlichen Resilienz ist, auch krankmachend.
Wir brauchen uns also nicht um uns zu kämpfen und dennoch Würde, Selbstachtung, persönliche Integrität bewahren?
Ja, und das mit ganz einfachen Mitteln, wir müssen es nur halt tun! Dieses „Tun“ ist gewöhnungsbedürftig, etwas ganz anderes als es uns von Kindes Beinen an beigebracht wurde. Sind wir es einfach gewohnt, uns zum Erreichen eines Zieles anstrengen zu müssen, bedeutet „achtsames“ Denken, Fühlen und Handeln nichts anderes, als stets uns und unserer Mitwelt „bewusst“ zu sein.
Der Weg bedeutet Übung. Wenn wir bedenken, wie viel wir im Leben geübt haben, um Fähigkeiten und Fertigkeiten fürs Funktionieren zu erwerben, sollte uns diese Übung, die uns den Raum öffnet für Gesundheit, Glück und ein angemessen langes Leben, Wert sein, getan zu werden.
Der Weg ist „Finden des inneren Raums der Stille“.
Sind wir bereit dazu, werden wir ihn auch finden. Schließlich handeln wir intuitiv stets nach dem gleichen Muster „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“.
Dennoch, so viel an dieser Stelle: Innere Stille bedarf eines Raumes auch der äußeren Stille. Bei entsprechender Übung wird das nicht mehr nötig sein. Wenn wir aber uns selbst bewusst werden wollen und es fehlt uns zunächst an Erfahrung, gilt es einen Raum und eine Zeit zu finden, in der wir uns in Ruhe zurückziehen können. Sind wir in diesem Raum, den wir uns nach unserem Geschmack einrichten können, dass alles um uns herum Behaglichkeit und Harmonie ausstrahlt, dann gehen wir in uns und betreten den Raum der inneren Stille. All diese Vorgänge entsprechen Akten der Achtsamkeit.
Ob nun mit Meditation, Lektionen des Autogenen Trainings, der Progressiven Muskelentspannung oder der Techniken an Entspannung mehr, entscheidend ist, dass wir den Zustand erreichen, in dem es uns möglich ist, auf uns selbst zu schauen. Wir kommen in eine Distanz zu uns selbst. Es gelingt uns, auf uns, unseren Körper, unsere Gefühle, unsere Sinne und unser Denken zu schauen. Dissoziiert nehmen wir wahr, was in uns abläuft. Wir sind uns so unseres „Selbst“bewusst. Infolge öffnet sich ein Raum des Verstehens und des Mitgefühls für uns selbst. Wir erkennen unsere Bedürftigkeit und unser Leiden an erlebtem Mangel und ebnen uns selbst den Weg der Befriedigung und Erfüllung. Diese Vorgänge, in Achtsamkeit gelebt, öffnen uns den Raum zu Bewusstheit und Erkennen.
Soweit gegangen, werden wir an eine weitere wichtige Tür kommen. Wenn wir durch diese Tür gehen, wird sich unser Leben von Grund auf ändern: Wir gehen durch die Tür der Selbstverantwortung.
Wir erkennen mit einem Mal, dass wir nicht Opfer sind in diesem Leben. Dass wir bei allem was in unserem Leben geschieht, immer mehr als eine Entscheidungsmöglichkeit haben. Nun können wir unsere Vergangenheit nicht mehr korrigieren. Wir können aber von diesem Augenblick des Erwachens an, das Heft des selbstverantwortlichen Denkens, Fühlens und Handelns in die Hand nehmen.
Hier schließt sich ein Kreis. So wie sich der Schmetterling aus seinem Kokon befreit, so wie sich die Schlange häutet, so wie der Vogel ausschlüpft aus dem Ei, so treten wir ein in das neue Zeitalter der Bewusstheit. Alles was bisher war und so grausam es Beteiligte erleben mussten, stellten die Ereignisse in den jeweiligen Zeitepochen nichts anderes dar als schmerzhafte Erfahrungen, um endlich zu deren Überwindung ein kollektives Bewusstsein zu entwickeln. Dieses Bewusstsein des Wir’s zu leben, sind wir angekommen, lasst es uns aus vollem Herzen tun.