Neubewertung der menschlichen Arbeit

In einem der vorhergehenden Blogs zum Wandel der Zeit beschrieb ich den Wunsch der Menschen nach Orientierung in der VUKA Welt (VUKA = volatil, ungewiss, komplex, ambiguous). Dazu schrieb ich, dass den Kompass dazu Werte bilden, ethische Werte. Heute ist z.B. die Bekämpfung von Korruption ein Mittel für ein intaktes gesellschaftliches Miteinander. Das ist aber zu wenig. Ethische Werte anzustreben und einzuhalten sind unabdingbare Voraussetzungen für ein vertrauensvolles Zusammenleben, sie sind somit nicht nur Mittel sondern Zweck.

Damit kommen wir zum Paradigma vom Wert von Arbeit im derzeit vorherrschenden gesellschaftlich/politischen System. Wenn wir sagen, Menschen im Arbeitsleben sind Mittel zur Erreichung von wirtschaftlichen Zielen, wie Umsatz, Gewinn, Expansion, ist das zu wenig. Menschen sind nicht Mittel, sie sind Zweck und damit das Wichtigste an sich.

Menschliche Leistung droht im System eines „Höher, Schneller, Weiter“ über physisch/psychische Grenzen hinweg ausgenutzt zu werden. Es geht also nicht um den Menschen an sich, dass er gesund bleibt und z.B. mithilfe seines Arbeitgebers die Einsicht gewinnt, dass er zur Gesunderhaltung den falschen Job macht, es geht in erster Linie darum, dass er für das, was er tut, in rechter vorgegebener Weise wieder funktioniert, wieder leistungsfähig wird.

Solange am System nichts verändert wird, haben alle unterstützenden Maßnahmen eine mehr oder weniger kosmetische Wirkung. Sie orientieren sich bestenfalls an den Symptomen, aber nicht an den Ursachen.

Eine Hauptursache, dass Menschen bei dem, was sie tun, angehalten sind, Höchstleistungen zu erbringen, liegt darin, dass Menschen in wirtschaftlichen Organisationen Kostenfaktoren sind. Die Logik daraus ist, Kosten möglichst niedrig zu halten. Hieraus entsteht der Spagat für den/die einzelnen zur Erbringung von Mehrleistung einerseits bei knapp kalkulierten Entgelten andererseits.

Das Ergebnis aus dieser Gegebenheit beschreiben die Krankenkassen in ihren jährlichen Reporten: relativ hohe Krankenstände, psychische (u.a. Depression, Burnout), physische Probleme (u.a. Herz-Kreislaufsymptome, Rückenprobleme, Verschleiß von Knochen und Gelenken).

Welcher Unternehmer würde seine Maschinen auf diese Weise auf Verschleiß fahren? Welcher Spediteur würde seine LKWs ohne Wartung und Inspektion im Einsatz lassen? Wer würde schon gerne von Kunden oder Lieferanten nachgesagt bekommen, dass das eigene Unternehmen von außen gesehen ein rechtes Wrack ist?

Statt den Laden herunterkommen zu lassen, betreiben Unternehmer*innen stattdessen Assetmanagement, wollen ihr Vermögen nicht nur erhalten, sondern weiter vergrößern.

Wieso eigentlich gehören Mitarbeiter*innen nicht zu den Assets dazu? Wieso sind sie Kostenfaktoren anstatt zum Besten zu gehören, was ein Unternehmen bieten kann?

Die Veränderung wäre eine ganz einfache: So wie in den Bilanzen, z.B. von Fußballvereinen, die Spieler das „Humankapital“ darstellen, so müsste das auch in Unternehmen und Verwaltungen sein. In der Bilanz ständen die Mitarbeiter*innen eigenständige Vermögensposition auf der Aktivseite, mit entsprechend eigener Position unter Fremdkapital auf der Passivseite.

Um es nochmals deutlicher zu sagen: Aus der Sicht der Unternehmen mindern Personalkosten die Gewinne und stellen zudem noch den Hauptposten in der Gewinn-/und Verlustrechnung dar. Es müsste eine Umwidmung passieren, dass Mitarbeiter*innen mit dem, was sie verdienen gemäß objektiver Arbeitsplatzbewertung in der Bilanz als Vermögensposten erscheinen.

Der Effekt wäre, Unternehmer*innen würden in ihre Mitarbeiter*innen investieren, anstatt zu schauen, wie aus ihnen mit geeigneten Mitteln das Höchstmögliche herausgeholt werden kann. Konkret würden sie im übertragenen Sinn auf Wartung, Inspektion, auf das Wohlgefühl ihrer Mitarbeiter*innen achten. Mitarbeiter*innen hätten zurecht das Gefühl, das Wichtigste im Unternehmen zu sein. Anstatt ohne (viel) Lob immer wieder zu Höchstleistungen angetrieben zu werden.

Damit einher ginge, begleitet von Empathie, Wertschätzung und Respekt durch Führungskräfte, dass Mitarbeiter*innen sich mit ihrem Unternehmen emotional verbunden und verantwortlich fühlten und dass die derzeitig festzustellenden Phänomene von „Dienst nach Vorschrift“ und „innerer Kündigung“ recht schnell der Vergangenheit angehören könnten.