Veränderungen, von der Wurzel her

Hiermit ist gemeint: Veränderungen von den Ursachen her ableiten, anstatt an Symptomen herumdoktern. Wenn in der Gallup Studie als Hauptgrund für die fehlende emotionale Bindung der Mitarbeiter*innen das Vorgesetztenverhalten benannt wird, dann gilt es, genau dort den Hebel anzusetzen.

Eine einfache Erkenntnis lautet: Kinder tun nicht das, was Eltern sagen, sie tun das, was Eltern tun. Nicht wesentlich anders ist es bei Mitarbeiter*innen in Unternehmen und Verwaltungen. Sie orientieren sich in ihrem Verhalten an den Führungskräften. Solange die Auswahl von Führungskräften an vorrangigen Prinzipien und Eigenschaften wie: Durchsetzungsvermögen, Effizienz, Erfolgsorientierung, Kostenbewusstsein usw. orientiert bleibt, wird sich bei den Mitarbeiter*innen keine engere emotionale Bindung erzielen lassen. Denn genau diese „rationalen“ Kriterien bei der Führungskräfteauswahl bedingen die vielfach emotionale Kühle im Umgang miteinander. Hier gilt es den Paradigmenwechsel vorzunehmen, um Arbeitszeit zu sinnhaft erlebter Lebenszeit umzuwandeln.

Statt vorrangig die rationalen, an der Sache orientierten Verhaltensweisen, gilt es in Zukunft, die emotionalen, an der Beziehung orientierten Verhaltensweisen in den Vordergrund zu stellen. Die Führungskraft der Zukunft besitzt menschliche Wärme, Mitgefühl, Empathie, sie übt sich im „Verstehen“, ist ausgleichend und gerecht, kommuniziert in Augenhöhe. Eigentlich selbstverständliche Verhaltensweisen im Umgang miteinander.

Wieso klappt das in Unternehmen und Verwaltungen i.d.R. nicht? Ganz einfach: Das Führungsverhalten von Führungskräften ist systemisch vorbestimmt. Unternehmer*innen wollen mit ihrem Unternehmen etwas erreichen und bedienen sich der „passenden Menschen“ dazu. Außerdem herrscht in vielen Unternehmen noch ein Klima, inspiriert von der Preußischen Ständeordnung, die eben keine Kommunikation in Augenhöhe ermöglicht, sondern Über-/Unterordnungsverhältnisse zementiert, mit allen damit einhergehenden Emotionen. Führungskräfte gewinnen Anerkennung, wenn es ihnen gelingt, ihre Mitarbeiter*innen zu erhöhter Leistungsfähigkeit anzuspornen. Unter anderem diese Phänomene tragen mit zu einem Betriebsklima bei, bei denen alle versuchen, das für sich Beste draus zu machen. Zwangsläufig entwickelt sich eine Kultur des „Ich“, durchwirkt von Programmen der Teambildung, die i.d.R. nur geringe Halbwertzeiten besitzen.

Es braucht für „menschliches“ Führungsverhalten somit eine systemische Neuorientierung, die vom Unternehmer/der Unternehmerin ausgeht. Wenn auf dieser Ebene des Top Managements die Einstellung gelebt wird: Der Mensch ist das Wichtigste, und zwar per sé, dann wird bei der Auswahl der Führungskräfte bereits darauf geachtet, dass es Mitmenschen sind, die in der Lage sind, die menschlichen Werte authentisch leben zu können.

Die Zeit scheint gekommen, bedingt auch durch die Erfahrungen in der Corona-Pandemie, dass es nicht mehr zukunftsweisend ist, das „Business as usual“ zu praktizieren. Hier eröffnet sich der Raum für eine Arbeitswelt, die das Adjektiv „human“ wirklich verdient. Eine Welt, in der die Arbeit sich nach den Menschen richtet und nicht umgekehrt!