Anpassen oder Begeisterung


Anpassen oder Begeisterung?

Die jährliche Gallup Studie weist seit Jahren aus, dass die Mehrzahl der Mitarbeitenden in Unternehmen entweder Dienst nach Vorschrift leisten oder sogar innerlich gekündigt haben. Lediglich ca. 15 % der Mitarbeitenden leisten ihre Arbeit motiviert. Als wesentlichen Grund wird ein schwieriges Betriebsklima genannt, an dem Führungskräfte erheblichen Anteil haben.

Dass Menschen hauptsächlich zur Befriedigung ihrer Existenzbedürfnisse arbeiten und weniger aus Freude und Lust am Tun ist dazu ein ganz wesentlicher Grund, der jedoch wenig thematisiert wird. Mit Sprüchen wie: „Das Leben ist nun mal kein Ponyhof“, „Leistung muss sich lohnen“, „Setz dich durch“, werden wir von klein an dazu angehalten nach Vorne zu streben und am Besten immer der/die Erste zu sein.

Nicht, dass hier ein Missverständnis entsteht, der Schreiber dieser Zeilen will alles andere als dem Laissez faire, dem „sich gehen lassen“ und der Antriebslosigkeit das Wort reden. Es macht bloß einen Unterschied, ob ich angehalten werde zu funktionieren und dabei das Beste aus mir herauszuholen oder ob ich meine Arbeit frei wählen kann und mich bei der Ausübung dieser Arbeit in einem dauerhaften Wohlgefühl befinde.

Der zentrale Unterschied ist ein systemischer. Bereits in der Schule werden wir angehalten zu funktionieren. Statt dass die Beziehung, also der Mensch im Mittelpunkt steht, steht die Einhaltung des Lehrplanes, also die Sache, an erster Stelle. Wie Gerald Hüther, der renommierte Hirnforscher es so trefflich benennt: „Der eigentliche Schatz, den wir fördern müssten, ist die Begeisterung am eigenen Entdecken und Gestalten, das Tüftlertum, die Leidenschaft, sich mit etwas Bestimmtem zu beschäftigen.“

Wie soll sich Begeisterung beim Entdecken und Gestalten einstellen, wenn sie in der Schule so gut wie nie entfacht wird? Stattdessen steht das „Müssen“ im Vordergrund. Der Lehrplan dominiert das Lernen, danach wird alles ausgerichtet und Schüler*innen und Lehrer*innen haben sich dem anzupassen. Und wer als Eltern weiß nicht ein Lied davon zu singen, die Kinder mit Tricks, Überreden, zuweilen Strafen davon überzeugen zu müssen, die Hausaufgaben zu machen.

Was kann aus einem solchen System schon anderes rauskommen, als angepasste Wesen, die diese Haltung wie selbstverständlich in ihrem beruflichen Alltag weiterleben und die von Führungskräften in Unternehmen und Verwaltungen gegenüber den Mitarbeiter*innen wie selbstverständlich einfordert wird. Ein weiterer für die Zukunft wesentlicher Aspekt, der nach einer sofortigen Änderung dieses Systems ruft, ist: Menschen, die nach einem solchen „Drillsystem“ erzogen werden, suchen sich Kompensationen als Ersatz von Glück und Erfüllung. Diese Kompensationen liegen hauptsächlich im Außen, sie sind in der Regel materieller Art und verleiten zum Trugschluss, dass sie zu Befriedigung und Erfüllung führen könnten.

Da das jedoch nicht gelingt, geht der Trend nicht nach innen, sondern steigert sich in teilweise exzessives Konsumverhalten.

Das Ganze mündet dann in die Verhältnisse, die wir heute auf unserem Planeten beklagen und die ohne Änderung zur Unbewohnbarkeit der Erde führen muss: Humusbodenverlust, Verringerung der Artenvielfalt, Müllflut, Lebensmittelverschwendung und -vernichtung, Klimawandel.

Die Erkenntnis für jede(n) Einzelnen kann daher nur sein: Innere Einkehr zu halten und den Fokus für das Erreichen von Zuständen des Glücks von außen nach innen zu richten.

Gesellschaftlich bedarf eines großen Umdenkens in Sachen „Schule“. Statt des Lehrplans muss in Zukunft der/die Einzelne stehen. Das vorherrschend rationale Bildungssystem ist durch ein System der Menschlichkeit und Empathie zu ersetzen.

Nach dessen Realisierung werden Bedingungen an Arbeitsplätzen je nach dem immer noch herausfordernd sein, allerdings vom Anspruch jedes/jeder Einzelnen geleitet, achtsam, selbstverantwortlich und liebevoll das Beste für sich und andere daraus zu machen.