Der gesundheitliche Ansatz der Salutogenese

In unserem Wirtschaftssystem geht es darum, schnell wieder gesund zu werden, um wieder die Leistung erbringen zu können, die von ihm oder ihr erwartet wird. In unserem Gesellschafts-/ bzw. Wirtschaftssystem wurde dazu ein Gesundheitssystem geschaffen, das im Wesentlichen auf dem Prinzip der Pathogenese fußt. Pathogenese bedeutet sich auf die Entstehung und schnellstmögliche Beseitigung der Krankheit zu fokussieren. Das heißt ganz einfach, wer krank ist, soll schnell wieder gesund werden. Dazu stehen unzählige Spezialist*innen bereit, die mit ihrem Fachwissen dazu beitragen, dass die bei Kranken auftretenden Symptome schnell und effizient wieder verschwinden. Das ist mal die landläufige Ansicht und der landläufige Umgang mit Krankheiten.

Mein Ansatz ist der der Salutogenese. Dieser von Aaron Antonovsky beschriebene Ansatz entspricht dem bei der UNO-Weltgesundheitskonferenz von Ottawa 1986. Also nicht Pathogenese mit dem Fokus auf Krankheit sollte im Umgang mit der Gesundheit bestimmend sein, sondern die Salutogenese = dem Rahmenkonzept, das sich auf Faktoren und dynamische Wechselwirkungen bezieht, die zur Entstehung und vor allem der Erhaltung von Gesundheit führen.

Bekannt ist das Beispiel vom Arzt im alten China, der kein Geld bekam, wenn seine Patienten krank waren. Wovon hat er denn gelebt? Vorbeugung-/Erhaltung: Thai Chi, Chi Gong, Yoga, Meditation etc. Das ist der Ansatz der Salutogenese, wo primär der Erhalt und die Wiederherstellung von Gesundheit im Fokus steht. Die Salutogenese kann nur umgesetzt werden, wenn die Menschen in Achtsamkeit und Selbstverantwortung mit sich und ihrem Umfeld umgehen.

Nicht umsonst heißt es, der Körper folgt der Seele. Also gilt es dort auch anzusetzen. Und das kann nur geschehen, wenn wir achtsam sind, also ganz im Hier und Jetzt und die Verantwortung für uns unsere Gesundheit wieder ganz übernehmen.

Mit dem salutogenetischen Ansatz wurde 1986 wurde im Grunde das Betriebliche Gesundheitsmanagement geboren. Das BGM fußt auf 3 Säulen:

  • dem Arbeitsschutz,
  • der betrieblichen Eingliederung und
  • der Gesundheitsförderung. Die Gesundheitsförderung soll, wie schon der Name sagt, vorbeugend dazu beizutragen, gar nicht erst krank zu werden.

Es ist schon kurios, dass die dritte Säule des BGMs, die Gesundheitsförderung, im Grunde umgemünzt wurde auf das landläufige Verstehen von Gesundheit, nämlich Beseitigung von Krankheit. Also nicht Salutogenese, sondern weiterhin die altbekannte Pathogenese. Angebote des BGMs heutzutage werden hauptsächlich von denjenigen in Anspruch genommen, die sowieso auf dem Gesundheits- oder Fitnesstrip sind. Diejenigen, um die es wirklich geht, die potenziell Krankheitsanfälligen, werden im Grunde gar nicht erreicht.

Wie auch? Das System ist und bleibt dasselbe und damit auch die Leistungsansprüche an die darin Wirkenden. Sport, Fitness, Yoga, Meditation dienen in erster Linie dazu, dass die Menschen im Werktagsgetriebe leistungsfähig bleiben. Würden die in Arbeit befindlichen Menschen im eigenen Interesse handeln, selbstverantwortlich und achtsam Maßnahmen der Gesundheitsvorbeugung und /-erhaltung ergreifen, wäre die Motivation dazu eine ganz andere.

Zur Gesundheitsförderung gehört die Verhaltensprävention. Sie umfasst alle Maßnahmen und Methoden der Gesundheitsvorbeugung /-erhaltung. Ein großer, umfassender Katalog, der den arbeitenden Menschen per Gesundheits-Scheck, Krankenkassen-Zuschuss, Steuerfreibeträgen schmackhaft gemacht werden soll.

Nur, wer nimmt das in Anspruch? Wie schon erwähnt, die sowieso an ihrer Fitness Interessierten, dann Mitarbeiter*innen, die sich zusammentun und „mal was machen wollen“, Mitarbeiter*innen, die vom Arzt die berühmte „rote Karte“ gezeigt bekommen haben, nun endlich mal was zu tun, ehe es zu spät ist.

Wie könnte eine Einstellungsänderung bewirkt werden? Dass eben nicht mehr das Reparieren von Krankheiten im Vordergrund steht, sondern dass bei allen Menschen und damit auch bei denjenigen, die im Arbeitsleben stehen die Gesundheitsvorbeugung und -erhaltung Vorrang haben?

Der radikalste Schritt wäre wohl der Systemverändernde, dass nämlich per Gesetz das Wirtschaftssystem vom kapitalistischen Konkurrenzprinzip zu einem gemeinwohlorientieren Kooperationsprinzip geändert würde.

Selbst Wohlgesonnene werden zustimmen, dass dieser Schritt utopisch ist, dass die Zeit der Revolutionen sowieso vorbei sein dürfte.

Andersherum sollte der Weg eher gangbar sein, dass das Ziel über die Transformation des Systems, und zwar nicht mit einem Schlag, sondern Step by Step erreichbar sein dürfte.

Mit diesem Ansatz wären die Unternehmer*innen und Unternehmer die Pioniere, die

  • der Menschlichkeit in ihrem Unternehmen den gebührenden Rang einräumten
  • dem salutogenetischen Ansatz folgten
  • dem Kooperationsgedanken Vorzug gäben
  • sich der Corporate Social Responsibility verpflichtet fühlten
  • Richtung Gemeinwohl unterwegs wären

Wenn schon nicht Revolution, bedarf es immerhin eines Paradigmenwechsels in der Einstellung der wirtschaftlich Verantwortlichen. Ich bin überzeugt, dass die kritische Menge bereits erreicht ist. Sie müssen nur sichtbar werden. Nur so können sie Vorbilder werden für diejenigen, die gerne wollten, aber sich (bisher) nicht trauten.